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0251 - Aare-Tessin AG für Elektrizität

Empfehlung II Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 11. August 2005 - Tauschangebot

Gesuch der Aare-Tessin AG für Elektrizität, Olten, der EOS-Holding, Lausanne, der EDF International, Paris, der Elektra Birseck, Münchenstein, der Elektra Baselland, Liestal, der IBAarau AG, Aarau, der Aziende Industriali di Lugano SA, Lugano, der Wasserwerke Zug AG, Zug, und des Kantons Solothurn um bindende Auskunft gemäss Art. 57 Abs. 2 UEV-UEK betreffend ein öffentliches Umtauschangebot der Motor-Columbus AG, Baden, an die Aktionäre der Aare-Tessin AG für Elektrizität, Olten - Tauschangebot

A.
Die Aare-Tessin AG für Elektrizität („Atel“ oder „Zielgesellschaft“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Olten. Sie ist ein europaweit tätiges Energieunternehmen mit einem Aktienkapital von CHF 303'600'000, aufgeteilt in 3'036'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 100 („Atel-Aktien“). Die Namenaktien sind an der SWX Swiss Exchange („SWX“) kotiert. Atel hält eine Beteiligung von 59.5% an Società Elettrica Sopracenerina, Locarno (SES), einer an der SWX kotierten Aktiengesellschaft, sowie eigene Aktien in der Höhe von 1.25% (vgl. Finanzbericht Atel 2004, S. 46 u. 35).

B.
Hauptaktionärin der Atel ist die Motor-Columbus AG („MC“), eine Holdinggesellschaft mit Beteiligungen im Energiebereich mit Sitz in Baden. Sie hält gemäss dem Finanzbericht Atel 2004 eine Beteiligung von 58.5% an Atel. Die MC hat ein Aktienkapital von CHF 253'000'000, aufgeteilt in 506'000 Inhaberaktien mit einem Nennwert von je CHF 500 („MC-Aktien“). Die Inhaberaktien sind an der SWX kotiert. Die Statuten der MC enthalten eine Opting out-Klausel. Hauptaktionäre der MC sind die UBS AG, Zürich und Basel („UBS“), mit einer Beteiligung von 55.6%, die EOS Holding AG, Lausanne („EOS“), mit 15.5 % sowie die EDF International, Paris, Frankreich („EDF“), mit einer Beteiligung von 20% an der MC (Stand 15.4.2005, vgl. http://www.motor-columbus.ch, besucht am 9.8.05).

C.
Die EOS ist eine nicht kotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Lausanne. Die EDF ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Paris, Frankreich. Beide Gesellschaften sind im Energiebereich tätig. Das gleiche gilt für die Elektra Birsek (EBM), eine Genossenschaft mit Sitz in Münchenstein, für die Elektra Baselland (EBL), eine Genossenschaft mit Sitz in Liestal, sowie für die IBAarau AG (IBA), eine nicht kotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Aarau. Der Kanton Solothurn (KtS) ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Zusammen halten die genannten Personen direkt Beteiligungen von 31.23% an Atel.

D.
Die UBS hat bekannt gegeben, dass sie ihre Beteiligung von 55.6% an MC verkaufen will. Die Atel, EOS, EDF, EBM, EBL, IBA und der Kanton Solothurn sowie die Aziende Industriali di Lugano SA, Lugano (AIL), und die Wasserwerke Zug AG, Zug (WWZ), planen, die führende Energiegesellschaft der westlichen Schweiz zu schaffen und zu diesem Zweck diese Beteiligung gemeinsam zu erwerben. In einer Konsortialvereinbarung, welche zeitgleich mit den Aktienkaufverträgen zu unterzeichnen ist, sollen die einzelnen Transaktionsschritte festgehalten werden. In einem ersten Schritt soll d ie MC mit der Atel zusammengeführt werden und unter neuer Firma die Obergesellschaft der geplanten Holdingstruktur bilden. Sodann soll eine schrittweise Zusammenführung der Aktivitäten dieser neuen Obergesellschaft mit den schweizerischen Aktivitäten der EDF sowie den betrieblichen Aktivitäten und Aktiven der EOS stattfinden.

E.
Mit Gesuch vom 13. Juli 2005 stellten die Mitglieder des geplanten Konsortiums (EOS, EDF, EBM, EBL, IBA, AIL, WWZ, KtS und Atel oder „Gesuchsteller“ oder „Käufer“) der Übernahmekommission folgende Anträge:

- Es sei gemäss Art. 57 Abs. 2 UEV-UEK eine bindende Auskunft darüber zu erteilen, ob die MC das Pflichtangebot an die Publikumsaktionäre von Atel im Auftrag der Konsortialmitglieder durchführen könne, indem sie den Publikumsaktionären von Atel im Rahmen eines Umtauschangebots Aktien von MC anbiete.

- Diese bindende Auskunft sei geheim zu halten. Eventualiter sei die Auskunft erst zusammen mit der Empfehlung zum Angebot zu veröffentlichen.

F.
Zur Prüfung der vorliegenden Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Hans Caspar von der Crone (Präsident), Herrn Raymund Breu und Frau Claire Huguenin gebildet.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Öffentliches Tauschangebot

Die Gesuchsteller beantragen, es sei festzustellen, dass das Pflichtangebot an die Aktionäre der Atel von der MC im Rahmen eines Umtauschangebots mit Aktien der MC durchgeführt werden kann. Diese Frage stellt sich insbesondere deshalb, weil die Gesuchsteller planen, Atel und MC im Anschluss an das Pflichtangebot umzustrukturieren und zusammenzuführen.

1.1 Zulässigkeit des Umtauschangebots mit Aktien der MC

1.1.1 Der Angebotspreis bei einem öffentlichen Pflichtangebot nach Art. 32 Abs. 1 BEHG kann gemäss Art. 39 Abs. 1 BEHV-EBK durch Barzahlung und/oder durch Tausch gegen Beteiligungspapiere geleistet werden. Nach Art. 39 Abs. 2 BEHV-EBK ist ein Tauschangebot auch dann möglich, wenn die Anbieter im Laufe der letzten zwölf Monate vor Veröffentlichung des Angebots Titel der Zielgesellschaft gegen Barzahlung erworben hat.

1.1.2 Auch im Falle eines Tauschangebotes müssen die Angebotsempfänger die gesetzlich vorgesehene Mindestentschädigung erhalten. Für die Berechnung des Angebotspreises gelten ebenfalls Art. 37 ff. BEHV-EBK. Zudem muss der Angebotsprospekt zusätzliche Angaben gemäss Art. 24 UEV-UEK enthalten. Der Angebotspreis kann mit Tausch gegen Beteiligungspapiere des Anbieters selber geleistet werden. Aus Art. 24 Abs. 2 und 3 UEV-UEK ergibt sich, dass der Anbieter die Aktionäre der Zielgesellschaft auch mit Titeln einer anderen Gesellschaft entschädigen kann.

1.1.3 Die Gesuchsteller bilden nach Unterzeichnung der Konsortialvereinbarung eine Gruppe i.S.v. Art. 27 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BEHV-EBK (vgl. Empfehlung in Sachen Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 11. August 2005, Erw. 1.1). Sie planen, das öffentliche Pflichtangebot an die Aktionäre der Atel durch die MC in Form eines Tauschangebots durchführen zu lassen. Dabei soll die Andienung von Atel-Aktien mit Titeln der MC entschädigt werden. Die Gesuchsteller werden mit Vollzug der Aktienkaufverträge die MC mit einem Stimmrechtsanteil von 91% beherrschen (vgl. Sachverhalt lit. B u.D). Im Sinne der Ausführungen von Erw. 1.1.2 steht es den Gesuchstellern frei, die Angebotsempfänger mit MC-Aktien zu entschädigen. Dies unter der Voraussetzung, dass die übrigen Anforderungen, welche an die Durchführung von Tauschangeboten gestellt werden, beachtet werden.

Die Gesuchsteller können somit grundsätzlich das öffentliche Pflichtangebot nach Art. 32 Abs. 1 BEHG an die Aktionäre der Atel durch die MC durchführen lassen und den Angebotspreis gemäss Art. 39 Abs. 1 BEHV-EBK durch Tausch gegen Aktien der MC leisten.

1.2 Zulässigkeit des Umtauschangebots bei anschliessender Umstrukturierung des Anbieters und der Zielgesellschaft

1.2.1 Vorliegend planen die Gesuchsteller, den Aktionären der Atel, MC-Aktien zum Tausch anzubieten. Die andienenden Atel-Aktionäre würden damit zu indirekt an der Atel beteiligten MC-Aktionären. Dabei ist zu beachten, dass dieses öffentliche Übernahmeangebot lediglich ein Zwischenschritt im geplanten Transaktionsvorhaben darstellt (vgl. Sachverhalt lit. D). Grundsätzlich ist nicht von einer Einzelbetrachtung der einzelnen Transaktionsschritte auszugehen, sondern vielmehr eine Gesamtbetrachtung der Transaktion vorzunehmen (vgl. Empfehlung in Sachen Swiss International Air Lines AG vom 28. April 2005, Erw. 3.5). Wirtschaftliches Transaktionsziel der Gesuchsteller ist die Schaffung einer Holdingstruktur. Die MC und die Atel sollen umstrukturiert und zusammengeführt werden, um unter neuer Firma die Obergesellschaft der geplanten Holdingstruktur bilden.

1.2.2 Bei einem Umtauschangebot werden die Aktionäre der Zielgesellschaft mit Beteiligungspapieren des Anbieters oder denjenigen einer anderen Gesellschaft entschädigt. Die Angebotsempfänger haben damit die Wahl, das Angebot auszuschlagen und Aktionäre der Zielgesellschaft zu bleiben oder anzunehmen und damit zum Aktionariat der Gesellschaft, deren Titel zum Tausch angeboten werden, zu stossen. Aus diesem Grund muss nach Art. 24 UEV-UEK der Angebotsprospekt zusätzliche Angaben enthalten über den Anbieter oder die Gesellschaft, deren Titel zum Umtausch angeboten werden, damit die Aktionäre der Zielgesellschaft ihren Entscheid über die Annahme des Angebots in vollständiger Kenntnis der Sachlage treffen können. Die Folgen der Annahme des Angebots müssen für die Aktionäre der Zielgesellschaft transparent sein.

1.2.3 Die Durchführung eines öffentlichen Angebots ist nach Art. 39 Abs. 1 BEHV-EBK grundsätzlich immer im Rahmen eines Tausches möglich. Der Angebotspreis kann auch bei einem Pflichtangebot durch Tausch gegen Beteiligungspapiere geleistet werden; dies sogar, wenn nicht kotierte Beteiligungspapiere oder kotierte Beteiligungspapiere mit einem illiquiden Markt zum Tausch angeboten werden. Solche Beteiligungspapiere müssen jedoch gemäss Art. 42 Abs. 2 BEHV-EBK von einer Prüfstelle bewertet werden (vgl. Empfehlung in Sachen Gornergrat Bahn AG vom 28. Juni 2005, Erw. 4.2). Nach der Praxis der Übernahmekommission kann den Aktionären der Zielgesellschaft folglich ein Tauschangebot mit Beteiligungspapieren unterbreitet werden, sofern das Angebot für die Aktionäre der Zielgesellschaft transparent und bewertbar ist.

1.2.4 Um die Transparenz des Angebots zu gewährleisten und den Angebotsempfängern zu ermöglichen, den Entscheid über ihr weiteres Vorgehen in vollständiger Kenntnis der Sachlage zu fällen, müssen die Gesuchsteller im Angebotsprospekt sämtliche Transaktionsschritte sowie das wirtschaftliche Transaktionsziel darlegen. Vorausgesetzt, den Aktionären der Zielgesellschaft stehen sämtliche Informationen, die zur Bewertung des Tauschangebotes notwendig sind, zur Verfügung, ist die Durchführung eines Tauschangebots angesichts der übernahmerechtlichen Regelung und der Praxis der Übernahmekommission auch bei anschliessender Umstrukturierung und Zusammenführung der Zielgesellschaft und des Anbieters zulässig.

2. Publikation

2.1 Die Gesuchsteller beantragen, diese Empfehlung geheim zu halten, eventualiter diese erst zusammen mit der Empfehlung zum Angebot zu veröffentlichen. Sie machen geltend, es bestehe zum Zeitpunkt der Gesuchstellung kein schützenswertes Interesse der Aktionäre der Zielgesellschaft daran, Kenntnis von dem geplanten Übernahmeangebot zu erlangen.

2.2 Die Empfehlungen werden zur Förderung der Transparenz auf der Homepage der Übernahmekommission publiziert (Art. 23 Abs. 3 BEHG). Dies gilt für alle Empfehlungen der Übernahmekommission; dem Antrag auf Geheimhaltung wird deshalb nicht stattgegeben. In gewissen Fällen kann jedoch nach der Praxis der Übernahmekommission die Publikation einer Empfehlung aufgeschoben werden.

2.3 Vorliegend wurde über die von den Gesuchstellern geplanten Transaktionsschritte in den Medien berichtet. Über die genaue Ausgestaltung des öffentlichen Übernahmeangebots an die Publikumsaktionäre der Atel wurde hingegen noch nichts publiziert. Der Öffentlichkeit ist nicht bekannt, dass der Angebotspreis mit Beteiligungspapieren der MC geleistet werden soll. Es ist nicht Aufgabe der Übernahmekommission, über Art und Umfang einer geplanten Transaktion zu informieren. Dies ist den involvierten Parteien zu überlassen. Die Übernahmekommission prüft, ob im Zeitpunkt der Publikation des Angebotsprospekts alle relevanten Informationen bekannt gegeben worden sind.

2.4 Die Publikation der vorliegenden Empfehlung auf der Website der Übernahmekommission in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG wird im Sinne der obigen Erwägungen aufgeschoben bis zur Unterbreitung des Pflichtangebots .

3. Gebühr

In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für die vorliegende Empfehlung eine Gebühr von CHF 20'000 erhoben. Falls die Gesuchsteller ein Angebot unterbreiten werden, wird diese bereits erhobene Gebühr von einer weiteren vorgesehenen Gebühr in Abzug gebracht. Die Gesuchsteller haften solidarisch.


Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:

  1. Der Aare-Tessin AG für Elektrizität, Olten, der EOS-Holding, Lausanne, der EDF International, Paris, der Elektra Birseck, Münchenstein, der Elektra Baselland, Liestal, der IBAarau AG, Aarau, Aziende Industriali di Lugano SA, Lugano, den Wasserwerken Zug AG, Zug, und dem Kanton Solothurn wird nach Art. 57 Abs. 2 UEV-UEK die bindende Auskunft erteilt, dass die Motor-Columbus AG, Baden, das Pflichtangebot an die Aktionäre der Atel gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG im Auftrag der Konsortialmitglieder durchführen kann, indem sie im Rahmen eines Umtauschangebots Aktien von Motor-Columbus AG anbietet.
  2. Die vorliegende Empfehlung wird gemäss Art. 23 Abs. 3 BEHG im Zeitpunkt der Unterbreitung des Pflichtangebots an die Aktionäre der Atel auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
  3. Die Gebühr für diese Empfehlung zu Lasten der Aare-Tessin AG für Elektrizität, Olten, der EOS-Holding, Lausanne, der EDF International, Paris, der Elektra Birseck, Münchenstein, der Elektra Baselland, Liestal, der IBAarau AG, Aarau, der Aziende Industriali di Lugano SA, Lugano, der Wasserwerken Zug AG, Zug, und des Kantons Solothurn beträgt CHF 20'000, unter solidarischer Haftung.

Der Präsident:

Hans Caspar von der Crone

  

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.

Mitteilung an:

  •  die EOS-Holding, die EDF International, die Elektra Birseck, die Elektra Baselland, die IBAarau AG, die Aziende Industriali di Lugano SA, die Wasserwerke Zug AG, den Kanton Solothurn und die Aare-Tessin AG für Elektrizität, durch ihren Vertreter;
  • die Eidgenössische Bankenkommission.