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Rechtsgrundlagen

Mitteilung Nr. 3 - Kraftloserklärung der "restlichen Beteiligungspapiere" nach einem öffentlichen Kaufangebot

Mitteilung Nr. 3 der UEK

Kraftloserklärung der "restlichen Beteiligungspapiere" nach einem öffentlichen Kaufangebot

vom 21. Juli 1997

Artikel 33 BEHG sieht folgendes vor: "Verfügt der Anbieter nach Ablauf der Angebotsfrist über mehr als 98 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft, so kann er binnen einer Frist von drei Monaten vom Richter verlangen, die restlichen Beteiligungspapiere für kraftlos zu erklären." Die Eigentümer der für kraftlos erklärten Titel erhalten den Angebotspreis. Ausserdem enthält das Gesetz in Artikel 54 BEHG eine Übergangsbestimmung: "Wer bei Inkrafttreten des Gesetzes aufgrund eines früheren öffentlichen Kaufangebotes über mehr als 98 Prozent der Stimmrechte einer Gesellschaft verfügt, kann binnen einer Frist von sechs Monaten ab Inkrafttreten eine Kraftloserklärung der restlichen Beteiligungspapiere nach Artikel 33 verlangen. Der Eigentümer der kraftlos erklärten Beteiligungspapiere hat Anspruch auf einen angemessenen Preis, der sich aufgrund eines Berichts der Revisionsstelle errechnet." Diese Bestimmungen werden vom Zivilrichter angewandt, der folglich allein zu deren Auslegung befugt ist. Die UEK wurde jedoch bereits von Betroffenen um die Besprechung von Auslegungsfragen gebeten. Daher erachtete es sie als nützlich, ihre Stellungnahme zu den wichtigsten Fragen zu veröffentlichen. Der zuständige Richter ist durch diese Stellungnahme nicht gebunden.

I. Artikel 54 BEHG : Übergangsbestimmung

1. Ist Artikel 54 BEHG auch dann anwendbar, wenn die Titel der Gesellschaft nach dem öffentlichen Kaufangebot dekotiert wurden?
Grundsätzlich gilt der Abschnitt über die öffentlichen Kaufangebote (Art. 22 bis 33) nur für schweizerische Gesellschaften, "deren Beteiligungspapiere mindestens teilweise an einer Börse in der Schweiz kotiert sind" (Art. 22 Abs. 1 BEHG).

Befinden sich jedoch weniger als 2 Prozent des Kapitals einer Gesellschaft noch im Umlauf, hat die Aufrechterhaltung der Kotierung eigentlich keinen Sinn. Es wäre daher nicht gerechtfertigt, die Anwendung von Artikel 54 BEHG nur für Gesellschaften zuzulassen, deren Kotierung (ein wenig künstlich) aufrechterhalten wurde.

Demzufolge kann Artikel 54 BEHG auch dann angewandt werden, wenn die Titel der Gesellschaft nach dem öffentlichen Kaufangebot dekotiert wurden.

2. Kann ein anderer Inhaber als der ursprüngliche Anbieter das Gesuch stellen?
Wenn der Gesuchsteller nicht selber ein öffentliches Kaufangebot vorgelegt hat, ihm jedoch die im Rahmen des Angebots erworbenen Titel vom ursprünglichen Anbieter übertragen wurden, ist er zur Geltendmachung von Artikel 54 BEHG berechtigt.

Diese Auslegung des Textes von Artikel 54 BEHG findet sich in Artikel 58 Abs. 10 der Börsenverordnung des Bundesrates klar bestätigt: "Die Kraftloserklärung der restlichen Beteiligungspapiere nach Artikel 54 des Gesetzes kann auch verlangen, wer die von einem Anbieter gestützt auf ein öffentliches Angebot erworbenen Beteiligungspapiere einer Gesellschaft übernommen hat und über mehr als 98 Prozent der Stimmrechte dieser Gesellschaft verfügt."

II. Artikel 33 BEHG : Ständige Bestimmung

1. Was ist unter "restlichen Beteiligungspapieren" zu verstehen?
Es handelt sich um die Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft, also um Aktien, Partizipations- oder Genussscheine oder andere Beteiligungspapiere (Art. 2 Bst.e BEHG).

Grundsätzlich umfasst der Begriff der anderen Beteiligungspapiere sämtliche Erwerbs- und Wandelrechte; es sollte dem Anbieter demnach auch für diese Rechte möglich sein, mittels des in Artikel 33 BEHG vorgesehenen Verfahrens eine Kraftloserklärung zu verlangen.

Sind die Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft nur teilweise an einer Börse kotiert, findet Artikel 33 BEHG auch auf die nicht kotierten Beteiligungspapiere Anwendung.

Hat die Zielgesellschaft zwei Kategorien von Aktien ausgegeben, genügt es, wenn der Gesuchsteller über 98 Prozent sämtlicher Stimmrechte verfügt. Es ist nicht erforderlich, dass er 98 Prozent der Stimmrechte einer jeden Aktienkategorie besitzt.

Hat die Gesellschaft Partizipationsscheine, Genussscheine oder andere Beteiligungspapiere ohne Stimmrecht ausgegeben, verlangt das Gesetz nicht, dass der Gesuchsteller über einen bestimmten Anteil dieser Titel verfügt. Diesen Fall hat der Gesetzgeber jedoch nicht eigens vorgesehen: Er wollte die Minderheitsaktionäre zur Aufgabe ihrer Titel zwingen, wenn eine sehr grosse Mehrheit der Aktionäre ein öffentliches Kaufangebot angenommen hat. Es ist also Aufgabe des Richters, in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob die Geltendmachung von Artikel 33 BEHG bei einem Gesuch um Kraftloserklärung eines bedeutenden Anteils der Partizipationsscheine (oder anderen Beteiligungspapiere ohne Stimmrecht) der Zielgesellschaft missbräuchlich ist oder nicht.

2. Berechnung der 98 Prozent der Stimmrechte
Artikel 54 der Börsenverordnung des Bundesrates (der gemäss Art. 58 Abs. 11 desselben Textes auf alle Verfahren der Kraftloserklärung von restlichen Beteiligungspapieren anwendbar ist), bestimmt folgendes: Zur Feststellung, ob der Grenzwert von 98 Prozent überschritten ist oder nicht, werden die Aktien berücksichtigt:

a. deren Stimmrechte ruhen;
b. die der Anbieter im Zeitpunkt des Gesuchs um Kraftloserklärung indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten hält.

So werden beispielsweise auch die von der Gesellschaft selbst gehaltenen Beteiligungspapiere grundsätzlich als eigene Beteiligungspapiere des Anbieters berücksichtigt.

3. Der Anbieter muss "nach Ablauf der Angebotsfrist" über mehr als 98 Prozent der Stimmrechte verfügen
Der Gesetzestext scheint einem Anbieter die Geltendmachung von Art. 33 BEHG nicht zu erlauben, falls er nach Ablauf der Angebotsfrist über weniger als 98 Prozent der Stimmrechte verfügt, selbst wenn er diesen Grenzwert zuvor innerhalb der Frist von drei Monaten erreicht hat.

Hingegen scheint das Gesetz zuzulassen, dass ein solcher Anbieter später ein weiteres öffentliches Kaufangebot vorlegt und in der Folge den Grenzwert von 98 Prozent überschreitet.

Die strikte Anwendung dieser beiden Grundsätze führt nicht immer zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Es kann gekünstelt erscheinen, einen Gesuchsteller zur Publikation eines weiteren öffentlichen Kaufangebots zu zwingen, damit er die Kraftloserklärung der restlichen Beteiligungspapiere verlangen kann, insbesondere wenn er nach dem ersten Angebot annähernd 98 Prozent der Stimmrechte innehatte und diesen Grenzwert danach durch Erwerbungen auf dem Markt überschreiten konnte.

Die UEK ist der Ansicht, dass eine allgemeine, abstrakte Auslegung dieser Frage nicht vorgeschlagen werden kann und dass es Aufgabe des Richters ist, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände einen Entscheid zu treffen.